Wie predige ich ansprechend?

erschienen im April 2013 auf predigtpreis.de

Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart,
der bedeutendste Mensch ist immer der, der dir gerade gegenübersteht,
das notwendigste Werk ist stets die Liebe.
(Meister Eckhart)

Dieser Satz von Meister Eckhart bringt etwas Wichtiges für mich auf den Punkt.
Entscheidend ist nicht, dass alles erklärt wird in einer Predigt.
Entscheidend ist auch nicht, ob alles wirklich bis ins letzte Detail ausgefeilt formuliert ist.
Entscheidend ist, an das Ambo zu treten in dem Bewusstsein, dass jeder Mensch – dieser und jener und der dort hinten – alle, die dort in der Bank sitzen – jeder Einzelne von ihnen mit hineingenommen werden möchte in das Entdecken und Verstehen von Gottes Wort.

Habe ich die Menschen, die vor mir sitzen, im Blick, verändert sich meine innere Haltung zum Sprechen. Dann spielt nicht mehr Perfektion eine Rolle, sondern Begegnung mit dem „Du“ im Anderen.

Hilfreich ist dabei, sich schon in der Vorbereitung bewusst zu machen, dass ein Großteil unserer Kommunikation nonverbal abläuft. Körper- und Kopfhaltung, Gestik und Mimik sagen mehr über unser jeweiliges Befinden aus als die Worte, die wir sprechen. Unser Gegenüber registriert sowohl mehr oder weniger bewusst alles, was wir tun oder auch lassen.

Das geschieht auch im Gottesdienst. Gottesdienst als eine besondere Zeit innerhalb des Wochenablaufs. Eine verdichtete Zeit, in der etwas von diesem unsichtbaren, diesem greifbaren, diesem lebendigen und letztlich er-leb-baren Gott für den Einzelnen spürbar werden soll. Doch genau daran mangelt es in vielen Fällen. Menschen gehen nach Hause und sind schlicht enttäuscht von dem, was sie gehört haben. Ich habe es selbst schon häufig erlebt:: Die Predigt spricht mich nicht an. Ich sitze da, bin gelangweilt und mit meinen Gedanken woanders. Früher habe ich mich immer gefragt, ob es am Prediger oder am Thema liegt.

Heute sehe ich vieles anders. Seit zweieinhalb Jahren beschäftige ich mich nun schon intensiv mit dem Thema „Liturgische Präsenz“ nach Thomas Kabel. Ich habe mehrere Seminare bei ihm besucht. Gelernt habe ich in dieser Zeit, dass die Heilsbotschaft des Evangeliums nicht nur vom Kopf her begriffen werden möchte, sondern auch mit dem Herzen. Dabei kommt es auf den ganzen Menschen an: darauf wie er blickt, seine Mimik, welche Körperhaltung er einnimmt und wie und ob er sich bewegt. Alles am Menschen predigt sozusagen mit, und alles entscheidet auf diesem Wege mit, ob die Botschaft letztlich beim Zuhörer ankommt.

Authentizität steht dabei bei den Kirchenbesuchern hoch im Kurs, so stelle ich immer wieder fest. Die besten, tiefsten, überzeugendsten Gedanken kommen nicht an, wenn sie eintönig und emotionslos vorgetragen werden, wenn sie beim Hörer so das Gefühl hervorrufen, dass das, was dort vorne vorgetragen wird, mit dem wirklichen Leben zu tun hat.

Eine lebendige Ausstrahlung, etwas frischer Wind und eine Prise der eigenen Glaubenserfahrung geben einer Predigt den nötigen Schwung. Doch wie kann das erreicht werden?

Hier setzt „Liturgische Präsenz“ ganz konkret an. Dabei bleiben die Verkündigung und die Auslegung völlig unberührt. Ein Coach kann einen Prediger unterstützen und ihm zeigen, wie es gelingen kann, dass die Botschaft auch wirklich gehört wird. Er beobachtet aufmerksam das Gestogramm des zu Coachenden und prüft, ob es mit der gesprochenen Botschaft übereinstimmt. Es geht nicht darum, den Menschen grundlegend zu verändern, sondern darum, sein Bewusstsein zu schärfen, seine Aufmerksamkeit auf die verschiedenen menschlichen Kommunikationsebenen zu lenken. So kann schließlich mit Stimme, Tonlage, Emotion, Gestik und Mimik das verdeutlicht werden, was zum Ausdruck gebracht werden soll. Im konkreten Üben bedeutet das, dass immer wieder neu überprüft wird, wohin der Blick wann gerichtet werden sollte, wie die Füße stehen, wie und ob sich die Hände bewegen. Es braucht die Wiederholung, das neue Einüben, um alte Verhaltensweisen zu verändern. Doch mit dem Einüben des Neuen entsteht auch ein neues Bewusstsein für die Handlung selbst.

Gottes Wort mit den Menschen zu teilen, ist ein Anliegen. Wir müssen „nur“ den Weg dafür bereiten. Dabei ist es hilfreich, sich seiner eigenen Ausdrucksbandbreite immer wieder neu bewusst zu werden, dann kann die Botschaft auch beim Empfänger ankommen. Es liegt am Prediger, sie immer wieder neu mit Verstand, Herz, Hand und Mund zu vermitteln.

Angelika Kamlage / 7.4.2013