Unser Kennenlernen

„Schau nur – wen ich getroffen habe.“
Mit leuchtenden Augen halte ich dem kleinen König mein Handy hin.
Ein Bild erscheint – ein Königsbruder.
Der kleine König beugt sich neugierig vor.
Ein Strahlen überzieht sein Gesicht, warm und vertraut.

„Ich erinnere mich … damals, in Ralfs Werkstatt haben wir ihn gesehen. Wo hast du ihn getroffen?“

„In der Katholischen Hochschule in Mainz“, antworte ich. Mein Blick gleitet hinaus ins Draußen.
„Weißt du noch, wie alles begann?
2014 kamst du zu mir – oder besser gesagt: zuerst die Frage nach dir.
Ob ich mir vorstellen könnte, einen kleinen König auf meine Reisen, in meine Kurse,
in mein Leben mitzunehmen.“

„Und du hast natürlich SOFORT Ja gesagt und dich riesig gefreut.“
„Äh … nein.“
„Wie? Nein?“
Sein Blick wird leicht beleidigt, seine Krone rutscht fast ein Stück zur Seite.

Ich lache leise.
„Nun ja …
Zuerst fragte ich mich:
Bin ich dem gewachsen?
Deiner Würde? Deiner Stille? Deinem Gewicht –
nicht dem auf der Waage, sondern dem, das man im Herzen spürt?
Es war auch für mich ein besonderes Projekt –
eine Reise zu den Wurzeln der Menschenwürde.
Und ich fragte mich, ob ich dich dorthin führen könnte,
wo du gesehen wirst –
und wo du sehen kannst.
Und doch: Ich bin Fotografin.
Ich sehe gerne genau hin.
Und die Idee, mit einem König Bilder zu machen,
ließ mich nicht mehr los.“

„Aha! Und dann hast du mich gesehen und warst sofort verliebt!“
Er grinst frech, wie ein Kind, das genau weiß, wie besonders es ist.
Ich schenke ihm ein warmes Lächeln.
„So ähnlich.“
„Du warst nicht verliebt?“
Sein Blick senkt sich ein wenig – gekränkt.

Ich nehme ihn in die Hand
„Es war… anders bei uns.
Ich dachte zuerst nach,
antwortete dann Ralf auf seine Frage:
Ja, gerne, aber bitte:
Er soll sitzen können, leicht sein – nicht sperrig, nicht schwer.
Und dann hat Ralf dich erschaffen.
Ohne Holzblock. Mit einem Lächeln. Und federleicht.

Im Oktober 2014 trafen wir drei uns dann auf einer Terrasse am Rhein.
Ralf öffnete einen schlichten Karton.
Du lagst darin –
in ein Tuch gewickelt,
wie ein kleiner Schatz.

Als das Licht dein Gesicht berührte,
sah ich dich –
zum allerersten Mal.
Meine Augen leuchteten, mein Herz wurde ganz still.
Ich wusste: Das ist der Anfang.“

Der König schweigt.
Dieses Mal ist es sein Blick, der sich in der Weite hinter dem Fenster verliert.
Dann spricht er leise:
„Damals wusste ich nicht,
wie viele Wege wir gemeinsam gehen würden.
Wie viele Türen sich öffnen,
wie viele Herzen wir berühren würden.
Manche wund,
manche mutig,
manche voller Fragen.

Und doch…
Alle auf der Suche.
Alle mit Würde.
Und wir – mittendrin.
Miteinander aushalten und uns gegenseitig stützend.
So lange sind wir nun schon unterwegs.
Und noch immer kennen uns nicht alle.“

„Ja, das stimmt“, sage ich leise.
„Aber es werden mehr. Immer mehr.
Der Bruder, den ich in Mainz traf –
er ist ein Zeichen.
Früher fragte man mich:
Warum trägst du einen kleinen König mit dir herum?
Heute begegne ich einem Bruder von dir
einfach so –
mitten im Alltag.“

„Schön“, flüstert er.
„Schön – und wichtig. Die Würde des Menschen ist mehr denn je in Gefahr in unserer Zeit.“

©Angelika Kamlage

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