Kategorie: Gedanken

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Echt?!?

Was ist „echt“?

In Zeiten von populistischen Politikeraussagen, gefälschten Meldungen und Bildern, Gerüchten in den sozialen Medien stelle ich mir diese Frage immer häufiger.

Was ist echt an den vollmundigen Versprechen der Verantwortlichen? An den Versprechen zu mehr Sicherheit, härterem Durchgreifen gegen Straftäter, Brandmauern? Dies aber natürlich verbunden mit dem unbedingten Bekenntnis zu den Werten unserer Demokratie?

Wenn das alles echt und ehrlich gemeint ist: Was ist dann mit den anderen Menschen, die aufgrund von sogenannter Echtheit und Notwendigkeit auf der Strecke bleiben oder unter die Räder kommen? Abseits stehen? Abgeschoben werden? Sterben? Sind das dann Kollateralschäden, die hinzunehmen sind?

Ist das die Gesellschaft, in der wir dann leben wollen oder müssen?

Was ist schon „echt“?
Wem kann ich vertrauen? Wem glauben? Das sind schwierige Fragen in diesen Zeiten.

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, sagt Jesus.
„Liebe und dann tue, was Du willst“, schreibt Augustinus.

Die Liebe als Richtschnur für mein Leben?!
Die Liebe als Prüfstein für Echtheit. Die Liebe als Grund, aus dem heraus ich handle.
Nicht populistische Parolen und Aktionen. Nicht Profitgier. Nicht die Verführung zur Macht. Sondern Liebe ist es, die mich nicht nur echt, sondern auch barmherzig handeln lässt.

Viele Gründe gab es, die mich in den letzten Tagen darüber haben nachdenken lassen, was „echt sein“ heute wirklich braucht. Einer davon, ist das bevorstehende Fest „Lichtmess“ oder „Darstellung des Herrn“. Im Evangelium heißt es da

Und siehe, in Jerusalem lebte ein Mann namens Simeon. Dieser Mann war gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe.

Lk 2,25-26

Simeon glaubt. Simeon vertraut. Simeon hofft. Simeon liebt.

etwas wurde versprochen
lange ersehnt
ich soll es sehen
glaube
warte
jeden Tag neu
Tage, Wochen, Monate, Jahre –
viele Jahre
vertraue
hoffe
zweifle auch
frage mich
wie lange noch
dann der Moment
endlich
loben, preisen, tanzen, jubeln, lachen, erzählen
fühlen wie das Herz vor Freude zu platzen droht
nach Hause gehen
erleben
Liebe gewinnt
sie gehört zum Menschen
ihr folgen
menschlich sein
echt bleiben

©Angelika Kamlage

Vom 20.-23. März 2025 gibt es einen Kurs „Die Kunst des Übergangs“ – Wege in neue Lebensabschnitte im Kloster in Bad Wimpfen. In diesem Rahmen wird es die Möglichkeit geben, dem nachzuspüren, was „echt“ im eigenen Leben ist und in den nächsten Lebensabschnitt trägt. Es gibt noch freie Plätze.

Weihnachten

„Es ist so weit“, sagt der kleine König
„Gut“, antworte ich und stehe auf.

Ich öffne den Schrank und suche nach meinem Mantel. Irgendwo muss er doch sein.
Teuer war er. Prächtig sieht er aus.

„Was machst du?“, fragt mich der König erstaunt
„Ich suche meinen neuen Mantel. Den, den ich mir extra gekauft habe. Du weißt schon, der ganz besondere. Damit werde ich Eindruck machen. Denn der König kommt.“

Schweigend sieht mir der König weiter zu. Schließlich sagt er. „Ja, ER kommt.“

Schließlich ergänzt er: „Dieser ganze Aufwand. Seit Wochen blinkt und leuchtet es überall. Im Radio habe ich ‚Last Christmas‘ schon vor Beginn der Adventszeit gehört. Da waren noch fünf Wochen Zeit bis zum Heiligen Abend. So früh, so bunt, so laut – das wird ein prächtiger Empfang für den König.“

„So ist das eben, wenn ein König kommt.“, antworte ich. Alle kleiden sich prächtig. Es gibt Geschenke. Es wird gesungen und getanzt. Alle möchten gesehen werden. Jeder möchte wichtig sein.“
Ich suche weiter. Plötzlich halte ich inne. Der kleine Mann hinter mir ist so still. Ich drehe mich um. Er schaut mich an – und schweigt weiter.

Schließlich sagt er: „Dieses Getue. Plötzlich ist etwas oder jemand wichtig, der sonst nicht im Fokus ist. Mich schreckt das immer eher ab. Auch dann, wenn es um meine Person gemacht wird. Ja, meine Geschwister und ich tragen eine Krone.“

Er senkt den Kopf und sagt leise: „Doch – wir tragen sie nicht für die Lauten und nicht für die, die sich wichtigmachen. Wir machen die besonderen Momente deutlich. Wir sind Könige für die Hörenden und die Erzählenden. Wir selbst sind nicht falten- und kantenfrei, so wie auch ihr nicht. Wir begleiten euer Leben. Wir sind nicht bequem mit weichen Worten, sondern machen der Wahrheit den Weg frei. Schenken Tränen die Freiheit. Beschenken das Herz mit Wärme. Stellen die Würde eines jeden Einzelnen in den Mittelpunkt. Wie ER. Doch ER ist noch so viel mehr.

Jetzt senke ich den Kopf. Ein wenig schäme ich mich. Wie recht er doch hat. Mal wieder. Nicht Geschenke, nicht Glanz und Gloria sind wichtig in dieser dunklen kalten Nacht, sondern nur das Kind in der Krippe.

Gott kommt. 
Nicht für den mit dem größten Besitz.
Nicht für den mit dem schönsten Mantel.
Nicht für den mit der Krone.
Nicht für den Mächtigen.
Nicht für den von besonderer Wichtigkeit.
Das Kind kommt für alle, die es suchen. Es schaut direkt ins Herz. Sein Lächeln durchdringt jeden Schutzpanzer. Es wärmt das Herz des Menschen. Es macht die Seele satt. Eigene Wünsche werden unwichtig beim Klang seines Lachens. Sehnsüchte treten zurück beim Blick in seine Augen. Ich lasse mich zu deinen Füßen nieder, Gott, und werde reich beschenkt.

Der Retter der Welt: ein Baby. Ein Friedensheld. Ein Lebensfreund für jeden, der mit IHM geht durch dick und dünn.

Der König hebt den Kopf: „Lass uns gehen wie wir sind. So sind wir genug.“
Ich lächle. Wie recht er hat. 

Angelika Kamlage

Am 7. Januar 2025 starten wieder Online-Foto-Exerzitien (https://www.foto-exerzitien.de/foto-exerzitien-online/). Mehr Informationen unter dem Link. 1 Platz ist noch frei.

Vom 20.-23. März 2025 gibt es ein besonderes Angebot für alle, die vor Übergängen stehen. Hier sind noch zwei Plätze frei. (https://www.foto-exerzitien.de/die-kunst-des-uebergangs-maerz-2025-bad-wimpfen/).

#königsgeflüster

Ausgewaschenes Blau

Der kleine König und ich sitzen uns gegenüber.
Er fragt, „Wird das jetzt immer so weiter gehen?“
Ich schaue ihn an, senke den Blick und murmle, „Ich weiß es nicht.“
Wir schweigen und hängen unseren Gedanken nach.
„Schweigen ist eines der Probleme.“, sage ich.
„und zu glauben, dass es nie die passende Zeit ist, darüber zu reden.“, ergänzt der König.
„Ja, beim Frühstück möchte niemand darüber reden; im Urlaub sowieso nicht und bei der Arbeit – da gehört es nicht hin.“
Der König nickt.
„Wahrscheinlich ist für die meisten nie die richtige Zeit darüber mit anderen zu sprechen oder sie haben Angst vor den persönlichen Auswirkungen oder sie denken, es betrifft sie nicht.“, spekuliere ich.
Wieder nickt der König.
Plötzlich hebt er den Kopf und schaut mich: „Dabei betrifft es uns alle!“

Der sensible, zugewandte, immer geduldige König wirkt auf einmal sehr kämpferisch.
Ich lächle. Auch dafür liebe ich diesen kleinen Kerl, dass er in den richtigen Momenten immer klar Haltung zeigt.

Eigentlich ist blau meine Lieblingsfarbe. Ein kräftiges Königsblau, das sprüht vor königlicher Würde. Es zeigt mir Gottes Anwesenheit im Leben eines jeden Menschen. Es zeigt stark und kräftig auf, dass jeder Mensch die gleiche Würde und Wichtigkeit hat.

Doch dieses ausgewaschene Blau, das sich immer mehr Raum nimmt, bereitet mir Bauchschmerzen. Ich frage mich, warum so viele Menschen darin überhaupt eine Alternative sehen können? Ich frage mich aber auch, wo ich geschwiegen habe aus Sorge, Vorsicht oder Angst?

… und es bleiben Fragen:
Warum wählen Menschen dieses Blau?
Warum gehen Menschen nicht zur Wahl?
Warum fühlen sich Menschen abgehängt und ungesehen?
Warum fühlen sich so viele gefangen?
Warum fühlen sich so viele machtlos?
Warum erscheint dieses ausgewaschene Blau mit dem roten Blutpfeil, die einzige Alternative für Menschen zu sein?

„Wir müssen was tun!“ ruft der König in meine Grübelei hinein.
Ich schrecke auf und frage, „aber was?“


Angelika Kamlage – auch erschienen auf spurensuche.info