Genau hingeschaut

Es gibt Momente, in denen sitze ich verzweifelt an meinem Computer. Immer wieder passiert das beim Lesen von Mails. Meist geht es in diesen Mails darum, wie wir „Kircheninternen“ miteinander umgehen. Ich schreibe „meist“ und denke: „Nein, eigentlich geht es immer darum.“

Ich merke in immer höheren Maße, wie schlecht es mir mit der Schere geht, die dadurch in meinem Herzen entsteht. Ich erlebe Predigten, die Güte und Liebe lehren, und Ansprachen, in denen die Wichtigkeit der Ehrenamtlichen in den Mittelpunkt gestellt wird. Dann erlebe dann im konkreten Handeln jener, dass es unverändert darum geht, nicht zu teilen oder Partizipation zuzulassen, sondern mit neuen Worten alles beim Alten zu lassen.
Vor einigen Tagen sagte mir jemand, dass Macht an sich nicht negativ wäre, sondern dass ein Umschlagen ins Negative erst dann erfolgt, wenn Macht zur Herrschaft wird. Es machte „klick“ als ich das hörte.

Als Geistliche Begleiterin bin ich so vielen Menschen begegnet, die mir ihre persönlichen Eindrücke vom kirchlichen Alltags-Gemeinde-Leben erzählen. Sie berichten von Machtspielen, von Intrigen, von Hilflosigkeit und von dem zunehmenden Gefühl, dass ihr Glaube dadurch verloren geht. Unbequem zu sein, die eigene Vision und den eigenen Glauben ins Gespräch zu bringen – das ist in unseren Gemeinden noch immer unerwünscht. Gewünscht ist Konformität – egal, was es kostet. Meist geht es darum, dass die „Schlagrichtung“ einer Gemeinde eine gemeinsame sein muss – für was oder gegen wen auch immer.

Wer unkonform bleibt, wer sich andere Blickwinkel wünscht, wer sich dafür einsetzt, stößt auf Unverständnis bis hin zur Ausgrenzung. Zurück bleiben Menschen, die sich verletzt zurückgezogen haben und Kirche lieber zukünftig aus der Ferne beobachten.
Jedoch: Ihre Sehnsucht nach Gott, seiner Nähe, nach Gemeinschaft bleibt.

Für mich stellt sich immer wieder die Frage, wie wir dafür Lösungen finden können. Beim Synodalen Weg ist ein Thema Machtmissbrauch. Das ist gut. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob auch das geschilderte Problem dabei wirklich im Blick ist.
In den Gemeindeentwicklungsprozessen, die ich begleiten darf, versuchen wir genau diese Problematik nicht aus den Augen zu verlieren. Nicht einfach, doch unglaublich wichtig, um als Christen und Kirche glaubwürdig zu bleiben.